Katrin Sass

  DAS GLÜCK WIRD niemals alt

eine Lesung mit

     KATRIN SASS

Während ihr Film Good Bye, Lenin ! auf seinen Siegeszug wartete, schrieb Katrin Sass ein Buch.

Ein Glücksfall, dass sie nicht nur schauspielern sondern auch noch schreiben kann. Und dann liest sie auch noch. Weil sie etwas zu sagen hat.

Weil bei ihr, wie bei jedem Anderen, nicht immer alles glatt gelaufen ist, liebt das Publikum ihre Offenheit gepaart mit ihrem mecklenburger Charme.

Im Osten war sie berühmt. Nach der Wende wartete niemand auf sie. Auch das eint sie mit vielen im Publikum. In diesem Buch erinnert sich Katrin Sass an  Stationen ihres Lebens - und gibt Hoffnung.

                             ....immer wieder Mecklenburg

Katrin Sass  hat früh mecklenburger Theaterluft geschnuppert und Gefallen daran gefunden.  Ihre Mutter war Schauspielerin und praktisch. Das Kind sollte erst einmal einen ordentlichen Beruf lernen. So wurde sie zur Telefonistin ausgebildet. Dann musste es aber losgehen. Schauspielerin und natürlich Berlin.

Die Schauspielschule lehnt sie ab. Dann also Rostock. Da ist ja auch viel mehr Meer.

Das Talent besiegte die Schwerkraft. Früh bekam sie gute Rollen beim Film. Auch im Theater ging es voran. Von  Tendrjakow über Shakespeare bis Heiner Müller spielt sie sich durch. Das bleibt.

Mit "Bürgschaft für ein Jahr" erarbeitete sie sich den Silbernen Bären. Der Rest ist sowieso Filmgeschichte.


                    AUS der LESUNG

  das Glück wird niemals alt   

                                  Katrin Sass ist das, was wir einen Charakter nennen  naumann concept

Und ich zog in meinen letzten Ferien mit meinem Zeugnis durch die Stadt. Wer nichts weiß und wer nichts kann, fängt bei Post und Reichsbahn an. Mit diesem Satz im Kopf stieg ich in der blauen Uniform die vier Treppen zum Fernamt hoch.


Im Spätdienst war es oft gemütlich. Es gab nicht so viele Kolleginnen im Fernamt, Gespräche gab es wenige, und wenn, kickte ich sie einfach weg. Am Pult vor mir leuchteten kleine rote Lämpchen. Jedes Lämpchen war ein Teilnehmer, der irgendwohin verbunden werden wollte.

 Wenn abends im Spätdienst die Plätze neben mir leer waren oder nur ein Lehrling da saß, gestalteten wir uns die Zeit amüsanter. Vor den roten Lämpchen gab es jeweils einen kleinen Hebel, den man zu sich heranzog, um mit dem Teilnehmer zu sprechen. Tippte man diesen Hebel nur ganz kurz an und ließ ihn wieder zurück fallen, war der Teilnehmer rausgeworfen, und er musste neu wählen. Dieses Spiel machten natürlich nur ein paar Lehrlinge, das heißt, ich weiß es nur von einem anderen Mädchen und von mir.


An diesem Abend sah ich wohl schon das fünfte Mal zur Uhr und hatte das Gefühl, dass sie stehen geblieben war. Es war nicht viel los und die Lämpchen, die da leuchteten, fragte ich auch alle ab.

 Ein Armist aus Boizenburg wollte mit seiner Freundin aus Schwerin verbunden werden. Nach drei Minuten schaltete ich mich ein mit den Worten, Fernamt 28, kommen Sie bitte zum Schluss, Ihre Gesprächszeit ist um. Er flehte mich aus seiner Telefonzelle an, bitte noch eine Minute, er habe kein Geld mehr, um nachzuwerfen. Ich ließ die beiden reden, wohl zwanzig Minuten, dann hatte auch ich endlich Feierabend. Ich ging durch den großen Raum. Die Chefin saß ganz vorne an einem Schreibtisch, immer mit der blauen Uniform, die sie stolz und gern trug, und einem riesig langen Lineal in ihrer Hand. Ich wurde ein merkwürdiges Gefühl von Angst und Unterwerfung nicht los, wenn ich an ihr vorbeimusste.

 Sie stoppte mich mit den Worten, setzen Sie sich bitte hin, und ich wusste natürlich den Grund. Pech gehabt, dachte ich, und so war es dann auch. Die letzten Stunden des Abends war ich auf Überwachung. Sie konnte sich an irgendeinen Platz einschalten und sich ein Bild über die sozialistische Arbeitsmoral der jeweiligen Kollegin machen. Die sah bei mir heute Abend wohl nicht so toll aus.

Ich bekam eine Fünf für den Tag und musste natürlich das letzte Gespräch des Armisten und seiner Liebsten bezahlen. 

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